Argumentation und Agitation im radikalen Islamismus
Erster Teil eines Mitschnitts der
Konferenz "Antisemitismus
und radikaler Islamismus" des
Zentrums für Antisemitismusforschung
an der Technischen Universität Berlin
Anfang Dezember 2005 trafen sich Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler, Expertinnen und Experten aus Deutschland,
Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden, um sowohl
historische als auch aktuelle Hintergründe des Phänomens
Antisemitismus in den muslimisch geprägten Milieus der
Zuwanderergesellschaften Europas zu beleuchten.
haGalil beginnt hier mit der Veröffentlichung
einiger Vorträge, die auf der Konferenz gehalten wurden. Sie werden
fast ausschließlich als mp3-Audiodatei zum downloaden zur Verfügung
gestellt.
Das Buch zur Konferenz wird, herausgegeben vom Zentrum für
Antisemitismusforschung, voraussichtlich im April 2006 im
Metropol-Verlag
erscheinen. Wir werden dann noch einmal ausführlich darüber
berichten. Darüber hinaus sendet der
Offene Kanal
Berlin am 6. und 13. Januar, jeweils um 10:00 Uhr
(Wiederholung: 04./05.02.2005), eine Konferenz-Aufzeichnung auf
seiner Berliner Kabelfrequenzen 92,60 MHz und im
Internet.
Einführungsvortrag von Prof. Dr.
Wolfgang Benz
Die Beziehungen zwischen
Nationalsozialismus und arabischer Welt, Vortrag von Götz Nordbruch
Einführungsvortrag
von Prof. Dr. Wolfgang Benz
(1)
Die Probleme, die den politischen und sozialen Hintergrund unserer
Konferenz bilden, sind allgegenwärtig. Wenn wir uns hier mit der
Judenfeindschaft des radikalen Islamismus beschäftigen, hat dies
ausschließlich Gründe im Erkenntnisinteresse der Wissenschaft. Für
politische Manifestationen und Bekenntnisse ist die Universität
nicht der Ort. Der politischen Relevanz unseres Themas sind wir uns
natürlich bewusst. Das galt auch schon für die internationale
Konferenz, die wir im September 2000, organisiert von meinem
Kollegen Bergmann, hier in diesem Hause, zum Thema: "Die
Entstehung von Feindbildern im Konflikt um Palästina",
veranstaltet hatten.
Wir haben uns vorgenommen, grundsätzliche Fragen des politisch
instrumentalisierten Vorurteils gegen eine Minderheit und dessen
Wirkungen, zu diskutieren, die Befunde zu exemplifizieren und
angemessene Reaktionen einer demokratischen Kultur im Spannungsfeld
der Abwehr von Extremismus und der gebotenen Toleranz, zu erörtern.
Die Probleme der Migrationsgesellschaft, die soziale Frustration
junger Franzosen arabischer Herkunft, die Angst vor einer
Parallelgesellschaft in Deutschland, gehören zu unserem Thema,
ebenso wie die Überfremdungsängste der Mehrheit und die ausgrenzende
Unduldsamkeit gegenüber verschiedener kultureller Eigenart. In
sachlicher Debatte, durch Austausch von Argumenten, durch die
Betrachtung der Situation in unterschiedlichen europäischen Ländern
- dafür stehen unsere
Referentinnen und Referenten aus Frankreich, Schweden, den
Niederlanden, Großbritannien -, wollen wir mit den Mitteln der
Vorurteilsforschung ein Problemfeld ergründen, das in
unterschiedlichen Maße den Alltag der Europäer prägt.
Erlauben Sie mir, um die Ausgangslage zu skizzieren, einige
Bemerkungen zur Argumentation und Agitation, wie sie uns durch den
radikalen Islamismus entgegentritt.
Auf der
Frankfurter Buchmesse bot im Oktober diesen Jahres ein
iranischer Verlag Schriften an, die altbekannte antisemitische Texte
enthalten, darunter die so genannten 'Protokolle der Weisen von
Zion', entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts in der Giftküche des
zaristisch-russischen Geheimdienstes. Dieses Pamphlet hat Eingang in
die nationalsozialistische Ideologie gefunden. Es ist in viele, in
fast alle Sprachen übersetzt, als Inkunabeln judenfeindlicher
Verschwörungsfantasien.
Die Neuauflagen aus dem Iran werden von einer staatlichen 'Islamic
Propagation Organization' verantwortet. Sie sind also offizielle
Propaganda eines Staates, dessen Präsident kürzlich zur Vernichtung
Israels aufgerufen hat.
Die Motive der Veröffentlichung von antisemitischen Klassikern
liegen auf der Hand. Nachdem Juden und Freimaurer in bekannter
Tradition in eine Verbindung gebracht wurden und der Zionismus als
Krebsgeschwür, das zu vernichten sei, definiert wurde, wolle man die
Muslime wachrütteln und das Gesicht des "satanischen Feindes"
enthüllen. Die stereotypische Vorstellung einer jüdischen
Weltverschwörung bedienend, wird behauptet, die Vereinten Nationen
(UN) seien der Zionismus, die Weltregierung, die in den 'Protokollen
der Weisen von Zion' erwähnt sei.
Die Einleitung zum Neudruck des Wortlautes dieses antisemitischen
Dokumentes schließt mit dem Aufruf zu Jihad.
Es ist Propagandaliteratur, bei der nicht nur erstaunt, dass sie im
staatlichen Auftrag publiziert wird, dass sie unbehelligt auf der
Frankfurter Buchmesse gezeigt werden konnte, sondern auch - und das
interessiert aus der Sicht der Vorurteilsforschung am meisten -,
dass islamistischer Radikalismus in das Arsenal des europäischen
Rassenantisemitismus greift. Denn der Rassismus der Europäer, der im
19. Jahrhundert vor allem in Deutschland und Österreich die
Konstrukte des Antisemitismus ergrübelt und sie in Traktaten und
Pamphleten propagierte, sie dann zur Ingredienz
nationalsozialistischer Vernichtungsideologie machte, dieser
Rassismus ist der islamischen Welt doch ursprünglich zutiefst
Wesensfremd.
Wenn wir uns also mit radikal islamistischen Feindbildern
beschäftigen, sind wir uns bewusst, das wesentliche Konstrukte, die
heute als Waffe gegen Israel, und darüber hinaus natürlich gegen die
Juden verwendet werden, Importe aus den Magazinen der unrühmlichsten
Abteilungen europäischer Ideengeschichte sind.
Die klassische Form der Legende von der jüdischen Weltverschwörung
ist über hundert Jahre alt und in aller Welt in allen gängigen
Sprachen verbreitet, eben in den 'Protokollen der Weisen von Zion'.
Der Text ist das am weitesten verbreitete antisemitische Pamphlet,
dessen Wirkung weder dadurch beeinträchtigt ist, dass die
Argumentation im höchsten Gerade irrational ist, noch dadurch, dass
die Konstruktion dieses Traktats aus diversen literarischen Vorlagen
bis ins letzte Detail aufgeklärt ist. Dass der als jüdisches
Geheimdokument gehandelte Text, der die Verschwörungsabsichten der
Juden angeblich in allen Details authentisch belegt,
gerichtsnotorisch als Fälschung oder besser als Mystifikation seit
Jahrzehnten entlarvt ist, wird als unerheblich abgetan, oder gar als
Beweis für die besondere Echtheit des Dokumentes angeführt.
Größte Wirkung haben die Protokolle dieser Tage in den
islamistischen Strategien gegen Israel. Mit zunehmender Intensität
werden sie als vermeintlicher Beweis für eine zionistische
Weltverschwörung in arabischen und anderen Medien der islamischen
Welt zitiert, abgedruckt und interpretiert.
Auch im Internet sind die Protokolle im islamistischen Kontext zu
finden. Besonders aggressiv werden sie von Radio Islam
propagandistisch eingesetzt. Der Sender im Raume Stockholm wird von
dem gebürtigen Marokkaner Ahmed Rami betrieben, der seit 1973 in
Schweden lebt, wo er politisches Asyl genießt, weil er - eigenen
Angaben zufolge - 1972 als Leutnant an einem Putsch gegen König
Hassan II. beteiligt und von einem marokkanischen Gericht deswegen
zum Tode verurteilt worden war.
Als Rundfunkstation hat Radio Islam allenfalls lokale Bedeutung. Als
Institution rechtsextremer und israelfeindlicher Propaganda mit den
Schwerpunkten Holocaustleugnung und Antizionismus, ist Radio Islam
ein weltweit agierendes Unternehmen, das vor allem seit 1996 durch
Internetauftritte in vielen Sprachen operiert. Ahmed Rami hat enge
Kontakte zur internationalen Neonaziszene und er propagiert
Holocaustleugnung in Verbindung mit Weltverschwörungsfantasien, nach
denen Israel und die Juden mit Hilfe von Holocaustgeschichten die
Welt kontrollieren.
Und wenn ich daran erinnern darf: Vor einigen Jahren, hatten wir das
25-jährige Bestehen des Zentrums für Antisemitismusforschung in
dieser Universität gefeiert und drei Tage später gab es ebenfalls
auf dem Territorium dieser Universität - wenn gleich erschlichen und
ohne Wissen der Universitätsleitung - ein Treffen, bei dem radikale
Islamisten sich mit den Spitzen des deutschen Neonazismus im Hass
gegen Israel und im Hass gegen die Juden hier
verständigt haben.
Die 'Protokolle der Weisen von Zion' haben in den Auftritten von
Radio Islam eine zentrale Position. So behauptet Ahmed Rami unter
Verwendung der traditionell stereotypen Anschuldigungen - und ich
führe das an, weil es typisch ist und nicht eine exotische
Randerscheinung, die uns nichts anginge -, die jüdische Religion
gebiete die Untergrabung der Moral nichtjüdischer Gesellschaften.
Wörtlich: "Immer wieder im Verlauf der Geschichte haben die großen
geistigen Führer der Menschheit sich Gedanken über das Wesen des
Bösen gemacht. Sie kamen zur Folgerung, dass, wenn der Teufel
existiert, er so auftritt wie oben geschildert. Viele bedeutende
Denker gelangten auch zum Ergebnis, die jüdische Torah sowie der
Talmud seien Satans Testament. Die Protokolle der Weisen von Zion
verkörpern eine Konkretisierung dieser satanischen Schriften. Sie
zeugen von einem genau gesteuerten Plan für unsere Zeit." (2)
Die Protokolle, deren Text- und Rezeptionsgeschichte Ahmed Rami, wie
wahrscheinlich auch alle anderen die sie als Waffe benutzen, genau
kennt, aber in seinem Sinne interpretiert und durch
Falschinformation für seine Argumentation manipuliert, werden als
sich selbst bestätigender Beweis zitiert und als Erklärung für den
Nahostkonflikt herangezogen. Zitat: "Wer diesen Text liest, wird
namenloses Erstaunen darüber empfinden, wie alles hier Gesagte in
großen Zügen eingetroffen ist. Oder stimmt es etwa nicht, dass sich
die Zionisten Palästina unter den Nagel gerissen und dort einen
jüdischen Staat Israel gegründet haben, der unter dem Deckmäntelchen
der Demokratie eine äußerst kriegerische und tyrannische Politik
betreibt? Trifft es ferner nicht zu, dass das zionistische Israel
die Supermacht USA fest im Griff hat, egal ob im Weißen Haus gerade
ein Demokrat oder ein Republikaner sitzt? Ist der Einfluss der
zionistischen fünften Kolonnen in Europa, auch in Schweden, nicht
unerhört stark?" [...] "Und trifft es schließlich nicht zu, dass
Israel Zwist und Feindschaft zwischen verschiedenen nichtjüdischen
Staaten nach Kräften schürt, dass es beim Konflikt zwischen dem Irak
und dem Iran fleissig Öl ins Feuer goss, dass es den kalten Krieg
zwischen den Supermächten ausnutzte, um sich als westlicher
Vorposten gegen die angebliche sowjetische Gefahr im Nahen Osten zu
profilieren und sich so die bedingungslose Unterstützung der USA zu
sichern?" (3)
Die Schlussfolgerung Ahmed Ramis lautet, dass seit langer Zeit
vieles daraufhin deute, "dass der Zionismus auf eine totalitäre
Weltdiktatur hinarbeitet. Allzu stark und einflussreich ist die
Zionistenlobby in den USA und in vielen anderen Ländern der Welt
schon geworden" (4), so die abschließende
Feststellung.
Die islamische Widerstandsbewegung Hamas, ursprünglich ein soziales
Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge im Gazastreifen, seit
Ende der 80er Jahre als terroristische Untergrundorganisation aktiv,
hat die Befreiung Palästinas durch die Zerstörung Israels zu Ziel.
Im August 1988 gab Hamas sich ein Programm. Die Charta der
islamischen Widerstandsbewegung bekräftigt an vielen Stellen,
verschwörungstheoretische Vorstellungen, die als jüdisches
Weltherrschaftsstreben dargestellt sind. Juden "standen hinter der
Französischen Revolution, der kommunistischen Revolution und den
meisten Revolutionen", heißt es dort im Originaltext. "Mit ihrem
Geld bildeten sie geheime Organisationen in verschiedenen Teilen der
Welt, zwecks Sabotage von Gesellschaften und zur Durchsetzung
zionistischer Interessen." Die Juden "waren hinter dem Ersten
Weltkrieg, durch den sie das islamische Kalifat zerstörten" und "dem
Zweiten Weltkrieg, durch den sie mit Waffenhandel riesige
finanzielle Gewinne machten und so den Weg zur Einrichtung ihres
Staates Israel pflastern konnten." "Sie waren es, die den Völkerbund
(Liga der Nationen) durch die Vereinten Nationen und dem
Sicherheitsrat ersetzten, um so die Welt regieren zu können." (5)
Im Artikel 32 der Charta heißt es: "Der Weltzionismus versuche im
Verein mit imperialistischen Mächten, durch einen ausgeklügelten
Plan und einer intelligenten Strategie, einen arabischen Staat nach
dem anderen aus dem Kreise der Kämpfer gegen den Zionismus
herauszunehmen, um schließlich nur noch dem palästinensischen Volk
gegenüber zu stehen. Ägypten wurde bereits, durch das tückische
Camp-David-Abkommen, aus der Kampfgemeinschaft entfernt. Nun
versuchen sie auch andere arabische Länder in ähnliche Abmachungen
hineinzuziehen, um sie aus der Allianz herauszubrechen." Weiter
heißt es: "Der zionistische Plan ist grenzenlos. Nach Palästina
streben die Zionisten danach, sich vom Nil bis zum Euphrat
auszubreiten. Wenn sie diese Gebiet verdaut haben, werden sie nach
weiterer Expansion streben - und so weiter. Ihr Plan ist
konkretisiert in den 'Protokolle der Weisen von Zion' und ihr
gegenwärtiges Verhalten ist der beste Beweis für das, was wir
sagen." (6)
Die Rede des scheidenden Premierminister von Malaysia, Mahathir bin
Mohamad, gehalten unter großem Beifall auf der 10. Gipfelkonferenz
islamischer Staaten (Organisation of the Islamic Conference) in
Malaysia im Oktober 2003, gibt einen Eindruck von Brisanz
stereotyper Imaginationen, die als axiomatische Überzeugungen,
zugleich aber als identitätsstiftende Handlungsanweisung dient. Die
Rede folgt einem geschickten Szenario, in dem Beschwörung, Klage,
Beschuldigung und Aufruf alternieren. Die Grundtendenz dieser
oratorischen Leistung, die mit stehenden Ovationen belohnt wurde,
ist Selbstmitleid und Fanal zum heiligen Krieg. Der beschwörende
Auftakt stimmte das Publikum auf Sendungsbewusstsein, die Welt
blicke auf die politischen Führer des Islam.
1,3 Milliarden Muslime, 1/6 der Weltbevölkerung, setze ihre Hoffnung
auf uns, hieß es. Dem folgten Klage und Beschuldigung: Wir alle sind
Muslime, wir sind unterdrückt, wir werden gedemütigt, die Europäer
konnten mit den Ländern der Muslime machen, was sei wollen. "Es
überrascht nicht, dass sie muslimisches Land zur Gründung des
Staates Israels nahmen, um so ihr jüdisches Problem zu lösen." (7)
Der Schuldvorwurf an die Europäer wird dann auf die Juden
zugespitzt, denen als Drahtzieher in verschwörungstheoretischer
Argumentation die entscheidende Rolle zugewiesen ist. "Die Europäer
haben 6 von 12 Millionen Juden ermordet. Dennoch regieren die Juden
heute die Welt durch Strohmänner. Sie bringen andere dazu, für sie
zu kämpfen und zu sterben." Und diese Schuldzuweisung bedient sich
traditioneller Stereotypen und Verschwörungsfantasien. Das heißt:
Juden "erfanden und förderten erfolgreich Sozialismus, Kommunismus,
Menschenrechte und Demokratie, erschienen deshalb fälschlicherweise
als Verfolgte und konnten so Gleichberechtigung mit anderen
einfordern. Dadurch haben sie jetzt die Kontrolle über die
mächtigsten Staaten erlangt und sind als winzige Gemeinschaft eine
Weltmacht geworden." (8)
Die Rede Mahathirs gipfelt im Appell an die Wehrhaftigkeit des
Islam, der zum Angriff auf die Unterdrückter übergehen, sich dazu
aber auch selbst regenerieren und modernisieren, kulturell,
wissenschaftlich, politisch erneuern müsse. "Wir brauchen Gewehre
und Raketen, Bomben und Kampfflugzeuge, Panzer und Kriegsschiffe für
unsere Verteidigung." (9) Das ist Aufruf
zum Krieg, proklamiert zur Verteidigung religiöser und kultureller
Werte, zur Überwindung obsessiver Minderwertigkeitsgefühle,
gerichtet auf das Ziel, die Juden und den Staat Israel zu
vernichten. Verschwörungsfantasien sind in der Rede des malaysischen
Premiers instrumentiert, für den Heiligen Krieg, dem Jihad. Aus
irrationalen Welterklärungsmustern speist sich der Jihadismus, der
von Fanatikern als Guerillakrieg gegen die westliche Zivilisation
umgesetzt und durch Terror und Attentat agiert wird.
Die Rede Mahathirs macht sichtbar, wie sich Judenfeindschaft, die
durch das Palästinaproblem politisch generiert ist, traditioneller
Stereotypen bedient und wie der ursprünglich im Nahen Osten
unbekannte Rassenantisemitismus, mit seinen abstrusen
Unterstellungen, Schuldzuweisungen und Schlussfolgerungen, adaptiert
und ins Weltbild integriert wurde.
Aus der muslimischen Welt kam Zustimmung zur Rede Mahathirs. Der
iranische Präsident nannte die Rede brillant und sehr logisch. Er
fügte hinzu: "Muslime seien keine Antisemiten." Sein pakistanischer
Kollege zeigte sich sicher, dass Mahathir nicht zum Krieg gegen die
Juden aufgefordert habe und der ägyptische Außenminister wusste,
dass Kritik an Israel eben rasch verdammt werde, ohne Prüfung der
Tatsachen.
Zustimmung kam auch vom russischen Rechtsextremisten Wladimir
Schirinowski: "Die Juden haben die Weltherrschaft erobert", sagte
er. "Alle Bankenkonzerne, alles ist von den Juden beherrscht, auch
in unserem Land."
Islamistischer Antisemitismus äußert sich nicht nur in
Israelfeindschaft. Der prominente geistliche Würdenträger Mohammed
Sayyed al-Tantawi, Großscheich der Al-Azhar University Kairo, ist
als Autorität des sunnitischen Islam weit über Ägypten hinaus
einflussreich. Sein Buch, über das "Volk Israels im Koran und in der
Sunna" (10) ist weit verbreitet. Es geht
auf seine Dissertation von 1966 zurück und beschäftigt sich mit dem
Palästinakonflikt aus religiöser Perspektive.
Die Argumentation ist aber weithin rassistisch, wenn al-Tantawi von
den unveränderbaren Eigenschaften der Juden, zum Beispiel ihrer Gier
nach Leben und dem Diesseits und ihrem übermäßigen Egoismus spricht,
sich auf Hitlers 'Mein Kampf' beruft, und die Juden als Ursache der
Zerstörung von Moral, Religion und geistigen Werten charakterisiert.
Der Geistliche al-Tantawi ist mit seinem Bestseller einer der
Vordenker des islamistischen Terrorismus, dem es längst nicht nur um
Palästina geht, der vielmehr traditionellen Antisemitismus
europäischer Provenienz in den Dienst eines fundamentalistischen
Hasses gegen die Juden stellt.
Das ist das Thema unserer Konferenz. Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit.
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Anmerkungen:
(1) Prof. Dr. phil. Wolfgang Benz, Historiker, ist
Mitgründer und Mitherausgeber der Dachauer Hefte (Studien und
Dokumente zur Geschichte der nationalsozialistischen
Konzentrationslager) und war von 1969 bis 1990 Mitarbeiter des
Instituts für Zeitgeschichte in München. Seit 1990 arbeitet er als
Professor an der Technischen Universität Berlin und ist Leiter des
Zentrums für Antisemitismusforschung. Wolfgang Benz erhielt 1992 den
Geschwister-Scholl-Preis. Bekannt geworden ist er durch zahlreiche,
für den Laien gut verständliche wissenschaftliche Veröffentlichungen
zur Geschichte und Gegenwart der Juden in Deutschland. 2004
veröffentlichte er "Was ist Antisemitismus?".
(2) Ahmed Rami: "Ein moderner Hexenprozess - Wir
brauchen eine geistige Erneuerung".
(3) Ahmed Rami: "Israels Politik bestätigt die
Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion".
(4) Ahmed Rami: "Israels Politik bestätigt die
Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion".
(5) The Covenant of the Islamic Resistance
Movement, 18 August 1988.
(6) The Covenant of the Islamic Resistance
Movement, 18 August 1988.
(7) Dr. Mahathir bin Mohamad: At the opening of
the tenth session of the Islamic Summit conference at Putrajaya
Convention Centre on October 16. 2003.
(8) Dr. Mahathir bin Mohamad: At the opening of
the tenth session of the Islamic Summit conference at Putrajaya
Convention Centre on October 16. 2003.
(9) Dr. Mahathir bin Mohamad: At the opening of
the tenth session of the Islamic Summit conference at Putrajaya
Convention Centre on October 16. 2003.
(10) Muhammad Sayyid al-Tantawi: Banu Israil fi
al-Quran wa-al-Sunnah (Banu Isra'il fi al-Qur'an wa-al-Sunnah),
1968-69.
hagalil.com
22-12-2005
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