Entfesselter Wahn:
Die "selbstbewußte Nation" legt nach
is, haGalil
Nach den penetrant
antisemitischen Entgleisungen Jürgen Möllemanns gibt es auch für Norbert
Blüm (CDU) kein Halten mehr. Wenn alle Dämme brechen, will auch der
ehemalige Arbeitsminister der Union nicht zurückstehen Er sieht sich berufen
im "Stern" vom Dienstag gegen "Denkverbote" und "den Vorwurf des
Antisemitismus", der laut Blüm, "auch als Knüppel benutzt" wird auf die
Barrikaden zu gehen.
Norbert Blüms vor Wochen
geäußerter Satz vom "hemmungslosen Vernichtungskrieg", den Israel gegen die
Palästinenser führen würde, bildet den Ausgangspunkt des Interviews im
"Stern" und der Befragte nimmt diese Ungeheuerlichkeit nicht zurück, im
Gegenteil. Zur Begründung seiner Aussage greift er immer wieder auf Motive
antisemitischer Stereotype sowie der Erinnerungsabwehr zurück. Indirekt
stößt er auch Drohungen gegen Israel und gegen deutsche Juden und Jüdinnen
aus.
In den Antworten auf die
neunzehn gestellten Fragen taucht allein vier Mal das Wort "Rache" als
Begründungszusammenhang der israelischen Militäraktionen auf. Dem
israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon wird gar "blindwütige Rache"
unterstellt. Gegen diese Rache, so der Sinnzusammenhang, hilft
"Diplomatisches Zureden" nichts. Blüm kolportiert hier in der deutschen Form
des Diskurses um Nahost ein altes antijüdisches Stereotyp, das der jüdischen
Rachsucht. Auch wenn Blüm zu beteuern versucht, er würde mit seiner "Kritik"
nur Sharon meinen, so redet er doch generalisierend davon es seien "die
Israelis", die wissen müssen, "dass ihnen für ihre Rachepolitik die Anhänger
ausgehen".
Und worauf läuft die
phantasierte jüdische Rache hinaus? Natürlich auf "Vernichtung", so Blüm.
Als Beleg für diese "Vernichtung" wählt er getötete Kinder, der Jude war im
christlichen Antijudaismus schon immer ein Kindermörder oder eine Mutter,
die angeblich ihr lebensgefährlich erkranktes Kind nicht in die Klinik
bringen durfte. Und als ob ihm seine Psyche hier einen Streich spielte setzt
der Interviewte nach: "Ja wir Deutschen haben eine Vergangenheit zu
bewältigen. Aber meine Vergangenheitsbewältigung ist eine
Zukunftsbewältigung ...". Jetzt wissen wir es: Es gehört ein Deckel auf die
Mottenkiste der deutschen Vergangenheit. Was waren schon Auschwitz oder der
deutsche Vernichtungskrieg von Wehrmacht und SS gegen die "Vernichtung",
welche ‚die Juden’, heute betreiben.
Damit Formen der
antisemitischen ‚Kritik’ an Israel nicht mehr benannt werden, greift der
Alt-CDU’ler zum Werkzeug der impliziten Drohung. Zwar würde er sich "immer
schützend vor Juden stellen, die angegriffen werden", als Opfer darf man als
Deutscher ‚den Juden’ beschützen. Aber wehe er zeigt auf was der
Zwillingsbruder des Philosemitismus ist: "Ich rate allen, vorsichtiger mit
dem Begriff Antisemitismus umzugehen. Die Ressentiments, die über
Jahrhunderte gewuchert sind, sind leider nicht total überwunden". Was nichts
anderes bedeutet, als dass die Deutschen auch anders mit Juden und Jüdinnen
umgehen können als sie nur verbal zu attackieren. Was da "gewuchert" ist,
dafür konnten die Deutschen natürlich nichts. Wuchern tut nur Unkraut oder
Krebsgeschwüre, dazu leistet man keinen aktiven Beitrag.
Doch derlei ist dem
gelernten Werkzeugmacher Blüm ohnehin zu "akademisch", wie auch die
Diskussion in seiner eigenen Partei, deren Vize Jürgen Rüttgers sich bereits
von Blüm distanzierte. Norbert Blüm will Taten sehen in Israel. Da sollen
die USA oder Europa einschreiten. Da nach Blüm die UN versagt hat,
konstatiert er: "Wir müssen mit aller Kraft ein Ende der Gewalt erreichen".
Deutsche Panzer vor Jerusalem?
Die Abgrenzungen Blüms
von angeblich akademischen Diskussionen oder gegenüber den "intelligenten
Späßchen" des Feuilletonchefs der "Zeit" "Herrn Professor Fritz J. Raddatz"
gehört, das sei hier nur en parentese angemerkt, in den Komplex des
Antiintellektualismus autoritär strukturierter Charaktere. Diese autoritäre
Charakterstruktur bildet allerdings die Grundlage für den antisemitischen
Wahn.
Auch wenn Blüm sich
selbst als Freund Israel sieht und sich, im Gegensatz zu Jürgen W. Möllemann
von den palästinensischen Terrorakten distanziert, so steht sein Judenhass
dem des FDP-Vizes in nichts nach. Rechtsextremen CDU-Mitglieder wie Joachim
Siegerist oder Hans-Helmuth Knütter, um nur zwei Bekanntere zu nennen, wird
Norbert Blüm sicherlich aus dem Herzen gesprochen haben. Offenbar wird an
den Haltungen eines Möllemann oder Blüm allerdings ein breiteres Verständnis
der "selbstbewußten Nation" Deutschland, deren Entsorgung der mörderischen
vergangenheit schon weit fortgeschritten ist.
hagalil.com
2007
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