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haGalilon
 

Kein Missverständnis:
Die neue Mölle-Welle

fsw, haGalil

"Andere reden", so ließ der FDP-Vorsitzende Westerwelle jüngst wissen, "ich handele". – Es fragt sich womit? Was seinen Parteivize Möllemann angeht, so könnte sich herausstellen, daß er diesmal mit Zitronen gehandelt hat.

Da hatte sich Möllemann nach langem Gezänk und unter dem Druck alter Parteifreunde endlich herabgelassen, einen Brief an Paul Spiegel zu schreiben, in welchem es heißt:

"Zu unserem Disput der letzten Wochen, der Sie, mich und die Öffentlichkeit beschäftigte, habe ich gestern in einer WDR-Fernseh-Sendung zu einem wesentlichen Streitpunkt erklärt, dass es ein Fehler war, Herrn Friedman für die Entstehung von antisemitischen Ressentiments mitverantwortlich zu machen. Ich hätte das nicht sagen sollen."

Es gibt Pressemeldungen, die diesen letzten Satz ein wenig anders widergeben:

"Ich hätte das so nicht sagen sollen" – Man beachte den Unterschied?

"So" hätte es Möllemann also nicht sagen sollen, aber wie sonst? Noch am selben Tag, am 29. Mai 2002, präsentiert er in einem Interview mit der Illustrierten BUNTE seine neueste Version.

"Michel Friedman weckt mit seinem Anspruch, tatsächliche Kritik an der Regierung Sharon in Deutschland zu verbieten, den Unmut und Zorn vieler Menschen. Das sind gefährliche Sturzbäche auf die Mühlen tatsächlicher Gegner seiner Religionsangehörigen und der von Israel."

Man muß sich diese beiden Sätze aus dem Munde eines ehemaligen Deutschlehrers einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Der erste Satz unterstellt, Friedman erhebe den Anspruch, tatsächliche Kritik an der Regierung Sharon in Deutschland zu verbieten, ein Sachverhalt der schlicht nicht zutrifft. Es gab, auch von deutscher Seite, immer schon Kritik an Israel oder israelischer Politik. Sie wurde nie verboten und auch nicht gleich als antisemitisch abgewatscht, solange sie nicht so einseitig ausfiel wie jüngst bei Möllemann. Davon abgesehen, wie unterscheidet Möllemann eigentlich tatsächliche von nicht tatsächlicher Kritik?

Mein Deutschlehrer hätte dazu mit Sicherheit ein rotes "A" an den Rand geschrieben, nein nicht A wie Antisemitismus, sondern A wie unpräziser Ausdruck.

Mit diesem nicht vorhandenen Anspruch eines ebensowenig ausgesprochenen Verbots weckt Friedman also den Unmut und Zorn vieler Menschen. – Donnerwetter, wie er das bloß wieder schafft!

Und gleich geht's blumig weiter. Eigentlich heißt die Metapher "Wasser auf die Mühlen gießen" und dieses Bild besagt in einfachen Worten soviel wie "unterstützen" oder "fördern". Aus Angst, Friedman nicht das Wasser reichen zu können, bemüht Möllemann gleich "gefährliche Sturzbäche", mit denen die Mühlen der tatsächlichen – schon wieder dieses überflüssige Wort – Gegner seiner Religionsangehörigen und der von Israel in Gang gehalten werden.

Hätte ich meinem Deutschlehrer diese Formulierung als Korrektur der zuvor als Fehler eingestandenen Aussage angeboten, er hätte mir einen Vogel gezeigt. Pädagogisch anfechtbar, gewiß, in der Sache aber durchaus korrekt.

Wer bitte sind denn nach allgemeinem Sprachverständnis die Gegner seiner, also Friedmans, Religionsangehörigen und der von Israel, wenn nicht Antisemiten und Antizionisten.

Es ist erstaunlich, daß diese euphemistisch verbrämte Neuauflage des alten Vorwurfs, Friedman fördere den Antisemitismus hier im Lande, bis jetzt so wenig beachtet wurde. Niemand konfrontiert Westerwelle mit dieser erneuten Entgleisung seines Stellvertreters. Auch dann nicht als er drei Tage später bei Sabine Christiansen salbungsvoll um Verständnis für Möllemann wirbt: "Muß man denn nicht jemandem, den man doch auch als Abgeordneten, als demokratischen Abgeordneten der Mitte kennt, muß man denn nicht jemandem auch mal eine Chance geben, wenn er sich verirrt hat, wieder in die Runde zurückzukehren?"

Aufwachen Frau Christiansen!!!

Da verteidigt Westerwelle Möllemanns dürre Zeilen an Paul Spiegel allen Ernstes mit den Worten, "wenn einer einen solchen Brief schreibt – der mir übrigens an der Stelle auch nicht gereicht hat, aber er hat ihn geschrieben –..."

Endlich unterbricht Friedman: "Ja wenn er Ihnen schon nicht reicht, wie soll er uns reichen?"

Doch unbeirrt fährt Westerwelle fort: "Der Parteivorstand hat eine klare Erklärung gegeben, Nein, darf ich Ihnen mal sagen: Der Parteivorstand hat eine Erklärung abgegeben, und die halte ich sehr wohl für ausreichend."

In dieser Erklärung heißt es unter anderem:

"Wir missbilligen und bedauern, dass durch Äußerungen von Jürgen W. Möllemann Anlass für Missverständnisse entstanden ist. Weder Herr Sharon noch Herr Friedman können für antisemitische Ressentiments verantwortlich gemacht werden. Dieser Fehler wurde von Herrn Jürgen W. Möllemann öffentlich eingeräumt und zurückgenommen."

Und wieder möchte man ein großes rotes A an diese schwammige Ausdrucksweise malen. Möllemanns Äußerungen waren weder ein Mißverständnis, noch boten sie Anlaß für ein solches. Sie waren eine unmißverständliche Provokation, die sich uralter antisemitischer Klischees bediente. Einräumen und Zurücknehmen sind Begriffe, die man auch aus der Textil- oder Autobranche kennt, wenn gekaufte Ware wegen nachgewiesener Mängel reklamiert wird. Das Zurücknehmen und Einräumen von Fehlern ersetzt keineswegs eine Entschuldigung, und die fehlt in der Erklärung des Parteivorstandes ebenso wie in Möllemanns Brief, der sich übrigens auf den Entwurf genau dieser Erklärung beruft.

Wie es möglich ist, daß Westerwelle zwar die Erklärung seines Parteivorstandes für ausreichend hält, nicht aber das Schreiben Möllemanns, bleibt ein Geheimnis, daß der Vorsitzende dieser Frech Dumm Peinlich-Partei offensichtlich besser hütet als die Zunge seines Stellvertreters.

hagalil.com 2007