[Das
Wesen des Antisemitismus]
Von Graf Heinrich Coudenhove-Kalergi (1859,
Wien - 1906, Poběžovice)
Drittes Kapitel:
Geschichte des christlichen Antijudaismus
pp 174 in der 1. Auflage von R.N. Coudenhove-Kalergis
1935 herausgegebenem Buch "Judenhass - Antisemitismus".
1. Römische Kirche
Wir kommen nun zur Betrachtung des Standpunktes,
den das Christentum und zunächst die römische Kirche dem Judentum
gegenüber einnimmt. Ich folge in dieser Darstellung dem Werke des Pater
Constant: "Les Juifs devant l'Eglise et l'histoire". Pater Constant ist
Doktor der Theologie und des kanonischen Rechtes und Priester des
Predigerordens, jenes Ordens, der sich mit den Juden bekanntlich am
eingehendsten befasst hat. Das ganze Werk ist von der kirchlichen
Autorität approbiert. Es wird also schwerlich vom katholischen
Standpunkte aus etwas gegen die Benützung des Werkes einzuwenden sein.
Sein Gedankengang ist folgender: "Im alten Rom genossen die Juden viele
Freiheiten und Rechte, die jüdische Religion war eine autorisierte
Religion im Staate. Ganz anders jedoch erscheint die Sachlage da, wo es
sich um Völker handelt, 'die vom Lichte des Evangeliums erleuchtet
sind'."
War der Jude für den römischen Staat harmlos, so ist er eine Gefahr für
den christlichen. Nichts im Juden gefährdete den römischen Staat, alles
was im Juden steckt, attackiert direkt den christlichen. Der christliche
Staat hat vom Juden alles zu befürchten. Kein christlicher Gesetzgeber
hat je daran gedacht, den Juden die Bibel zu entreißen. Nur gegen den
Talmud ist eingeschritten worden. Der Dominikaner bedauert, dass die
christlichen Machthaber in ihrer Verfolgung des Talmuds nicht jenen
Erfolg gehabt haben, den ihr...
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