Coudenhove-Kalergis Appell gegen den Rassen-Antisemitismus:
"Das Wesen des Antisemitismus"
Die Ausführungen des Grafen Heinrich
Coudenhove-Kalergi (1859, Wien - 1906, Poběžovice) reizen manchmal zum
Lachen, wenn er beispielsweise berichtet, der Talmud lobe Herodes
Agrippa "über den grünen Klee", oder wenn er einige Riten, sei es der
Juden, sei es der Nichtjuden, auf die Schippe nimmt.
Wenn man sie aus dem Zusammenhang reißt, könnte man sich auch darüber
ärgern. Man muss diese Ausführungen deshalb nicht nur mit Humor, sondern
auch mit historischem Verständnis für den Hintergrund, vor dem er
schreibt, lesen. Ein Fakt, der natürlich für alle zeitgenössischen
Quellen gilt, auch für den hier umfangreich zitierten
Constantin Brunner, genannt sei nur dessen Zionismuskritik und
sein grenzenloses Vertrauen auf Deutschland und die Deutschen.
Leider ist es uns im Rahmen dieses Projekts nicht
möglich, auf Heinrich Coudenhove-Kalergis Leben und Gesamtwerk in
weiterer Ausführlichkeit einzugehen. Wir hoffen aber, diesen Bereich zu
einem späteren Zeitpunkt systematisch ausbauen zu können, auch wenn wir
schon jetzt auf zahlreiche Artikel im redaktionellen Angebot von
haGalil, die weitere Erläuterungen und ausführliche Darstellungen der
angesprochenen Themen zur Verfügung stellen, hinweisen können.
An dieser Stelle nur soviel: Alles was H.
Coudenhove-Kalergi am Judentum selbst kritisiert um damit die Befremdung
bzw. Ablehnung der Umwelt, die ja in der Antike insgesamt heidnisch bzw.
polytheistisch war, zu erklären, trifft auf den Monotheismus in seiner
Gesamtheit zu. Die Juden waren nur die ersten Vertreter des Glaubens an
den einen einzigen G'tt. Christen und Muslime gründen auf eben dieser
Basis und übertrieben in der Unduldsamkeit gegenüber Nichtgläubigen im
Laufe der Jahrhunderte um ein Vielfaches. Dazu waren sie nicht zuletzt
deshalb in der Lage, da sie eben auch um ein Vielfaches mächtiger waren,
als es die Juden je gewesen sind.
Auch wenn H. Coudenhove-Kalergi dies an anderer Stelle
selbst erläutert, kann der Text auch als Anschauungsmaterial für das,
was häufig schief läuft bei nichtjüdischen Stellungnahmen zu jüdischen
Themen - so willkommen sie, vor allem in ihrer Zeit, für die große
Mehrheit der Juden auch sein mögen. Etwa wenn er die Juden immer wieder
in eine Gruppe der Starren und eine der Flexibleren unterteilt; oft
nennt er die einen orthodox, die anderen reformiert.
Eine solche Einteilung muss natürlich anbetracht der
jüdischen Diskussions- und Streitkultur viel zu oberflächlich bleiben.
Gerade der immer wieder geschmähte Talmud zeugt für diese grenzenlose
"Argumentierungssucht": Ein Rabbi bringt zu einer Fragestellung ein
Argument, der nächste versucht es zu widerlegen, indem er sich auf eine
frühere Argumentation eines dritten Rabbiners beruft. Diesen hat
wiederum der Schüler des ersten, der sich nun ebenfalls zu Wort meldet,
bereits unter Bezugnahme auf einen Spruch Salomons ad absurdum geführt,
worauf ein Kommentator anregt, erst einmal die Frage an sich zu prüfen,
neu zu formulieren oder zu verwerfen. Alle diese Rabbiner waren
selbstverständlich dem hier als pharisäisch oder rabbinisch oder
talmudisch bezeichneten Judentum zugewandt. Und auch heute sind Talmud
und Torah die Grundlagen aller "Richtungen" des Judentums, egal ob sie
sich als progressiv, chassidisch, kabbalistisch, reformistisch,
ultra-orthodox, konservativ, neolog, liberal, orthodox, egalitär,
rekonstruktionalistisch, oder sonst wie bezeichnen möchten.
Selbst die von Coudenhove-Kalergi kritisierten
Tempelopfer wurden von niemandem
eindringlicher abgelehnt oder in Frage gestellt, als vom Judentum
selbst. Insbesondere der Talmud erklärt sie sogar als bloße
Zugeständnisse an die Sitten der Völker, auf die G'tt verzichten möchte,
sobald Israel über dieses "primitive" Stadium hinausgewachsen sei.
Spätestens nach der Zerstörung des zweiten Tempels setzt dann auch der
große Pharisäer
Jochanan Ben Sakaj, ganz gewiss kein Fanatiker, kein Eiferer,
kein Zelot, die größte Reform überhaupt durch. Er flieht vor den
Fanatikern zu den Römern und bittet um eine Schule. Dort beginnt die
schriftliche Fassung der mündlichen Lehre, wieder gegen große und
ernstzunehmende Widerstände. Ben Sakaj, ohne den es heute kein Judentum
mehr gäbe, setzt an die Stelle des Tempeldienstes das Gebet des
Einzelnen, der Familie, der Gemeinde.
Der auf Grundlage seiner Vorentscheidung
herausgegebene
Talmud ist gerade
kein Zeugnis der einzigen wahren Lehre, sondern das wohl umfassendste
und umfangreichste Gegenmittel zum "heiligen Zorn"
und zum "fanatischen
Eifer". Mit den ihn zusammenfassenden, kommentierenden,
interpretierenden und aktualisierenden Werken ist der Talmud das wohl
größte dokumentierte Monument des Pluralismus, der Meinungsvielfalt, der
Diskussion um des Austauschs willen.
Zu diesen Werken, die bis heute fortgeschrieben
werden, zählen an ganz prominenter Stelle auch die Schriften des
erwähnten
Maimonides.
Natürlich hatte er viele Gegner und es gab tatsächlich Gemeinden, die
ihren Mitgliedern die Lektüre des Rambam untersagten. Was aus den
zitierten Passagen Coudenhove-Kalergis aber nicht hervorgeht, ist die
Tatsache, dass der Rambam zu seinen Lebzeiten geachtet wie kaum ein
zweiter war und er für die Nachwelt direkt neben seinem Namensvetter
Moses (dem aus Ägypten, der die Torah am Sinaj empfing) plaziert wurde.
Über den Umgang anderer Religionsgruppen mit Andersdenkenden, gerade im
Mittelalter, soll hier nicht näher eingegangen werden.
H. Coudenhove-Kalergi ging es hier schließlich nicht um vergleichende
Religionsgeschichte und auch nicht um einen erschöpfenden Überblick über
die jüdische Geisteswelt, von Abrahams Zelt in der Wüste über die
Akademie im babylonischen Pumbedita bis zum Lehrstuhl der Wissenschaft
des Judentums in Berlin.
Ihm ging es darum zu zeigen, dass die bekannte
Abneigung der Griechen und Römer gegen die Juden kein "Rassenhass" war.
Dass es nicht die Juden als Menschen, sondern das Judentum als Religion
war, das viele von ihnen mit
Befremden oder Ablehnung zur Kenntnis
nahmen und kritisierten. Dass es aber kein dem damals aufkommenden
"Rassenantisemitismus" vergleichbarer Hass und keine mörderische
Ideologie, die die Ausrottung von "Untermenschen" anstrebte war, wie sie
wenige Jahre später in der Berliner Reichskanzlei propagiert wurde.
Kalergie hatte sicherlich niemals vor, sich dem
Judentum anzuschließen, er war sicher kein Philosemit und das ist auch
nicht nötig. Er war ein Mensch, der davon ausging, dass man sich über
unterschiedliche Sichtweisen verständigen muss, dass man bevor man Juden
unveränderliche negative Rasseneigenschaften zuordnet, sich in
ernsthafter Weise mit den Hintergründen auseinandersetzen muss. Nicht
mehr und nicht weniger.
Noach war ein Gerechter in seiner Zeit, und das
war wohl auch Heinrich Coudenhove-Kalergi.
*) Heiliger
Zorn
- Von Rabbi Menachem Mendel Schneerson wird
berichtet, dass er Zornausbrüche so lange zu unterdrücken versuchte,
bis er in den Heiligen Schriften nachgeforscht hatte, ob der Zorn
unter diesen speziellen Umständen erlaubt sei -- aber wie groß
konnte sein Zorn dann noch werden, nachdem er nach einer Belegstelle
dafür im Talmud gesucht hatte!.
**)
Schlachtopfer
Aus zahlreichen Quellen geht hervor, dass man in Israel schon sehr früh
wusste, dass G'tt keine Opferungen braucht. Der Schöpfer des Himmels und
der Erde, der eine und einzige G'tt ist sicher nicht auf deies Art von
G'ttesdienst angewiesen. Ganz gewiss lebt er nicht, so wie die Götzen
der Umwelt, von diesen Opfern. Wie sollte denn der Mensch die Fülle
G'ttes mehren können?
Wenn trotzdem an dieser, schon in Urzeiten beschriebenen Praxis
festgehalten wird, dann ist dies eher ein Zugeständnis an die
Beschränktheit des Menschen, an seine Trägheit und ein bloßes Festhalten
an einer Tradition. Das wichtigste was daraus zu schließen und
festzuhalten ist, ist dass diese Tradition sich änderte bzw. ganz
abgeschafft wurde.
Die "Awodah", der G'ttesdienst wird immer mehr zum G'tt schenken und
dabei von G'tt beschenkt werden. Die Kabbala sieht in der Verbindung
zwischen dem Dienst G'ttes am Menschen und dem G'ttesdienst des Menschen
den Kern der Lehre und die Quelle ewigen Glücks, da die Freude des
Beschenkten den Schenkenden glücklich macht.
Im Psalm von Asaf, Tehilim 50, lesen wir: ..."Hör an mein Volk und ich
will reden..., Ich will aus deinem Haus den Stier nicht nehmen, aus
deinen Hürden nicht die Böcke. Denn mein ist alles Wild im Wald, die
Tiere auf den tausend Hügeln. Ich kenne jeden Vogel im Gebirge und was
sich regt im Feld, es ist mir kund.! Wenn es mich hungert muss ich's dir
nicht sagen, mein ist das Festland mit allem was es füllt. Ess ich das
Fleisch der großen Stiere? Das Blut der Böcke, trink ichs? Erzähle
lieber von deiner Dankbarkeit und halte dich an deine Versprechen. Und
wenn du in Not bist, dann rufe nach mir, ich werde dich retten und du
mich ehren"...
So einfach scheint es zu sein, und sage noch einer es gäbe keinen Humor
in der Heiligen Schrift.
Weitere Zitate aus Jesaja, Hosea, Samuel, Amos...
- Jeschajahu 1.11ff: "Was soll ich mit euren vielen
Schlachtopfern? spricht der Herr. Die Widder, die ihr als Opfer
verbrennt, und das Fett eurer Rinder habe ich satt; das Blut der
Stiere, der Lämmer und Böcke ist mir zuwider. Wenn ihr kommt, um
mein Angesicht zu schauen - wer hat von euch verlangt, dass ihr
meine Vorhöfe zertrampelt? Bringt mir nicht länger sinnlose Gaben,
Rauchopfer, die mir ein Gräuel sind. Neumond und Sabbat und
Festversammlung - Frevel und Feste - ertrage ich nicht. Eure
Neumondfeste und Feiertage sind mir in der Seele verhasst, sie sind
mir zur Last geworden, / ich bin es müde, sie zu ertragen. Wenn ihr
eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch. Wenn ihr
auch noch so viel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voller
Blut. Wascht euch, reinigt euch! Lasst ab von eurem üblen Treiben!
Hört auf, vor meinen Augen Böses zu tun!
Jeschajahu 1.17ff: Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für das
Recht! Helft den Unterdrückten! Verschafft den Waisen Recht, tretet
ein für die Witwen!
Kommt her, wir wollen sehen, wer von uns Recht hat, spricht der
Herr. Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß
werden wie Schnee. Wären sie rot wie Purpur, sie sollen weiß werden
wie Wolle. Wenn ihr bereit seid zu hören, sollt ihr den Ertrag des
Landes genießen. Wenn ihr aber trotzig seid und euch weigert, werdet
ihr vom Schwert gefressen.
- 1.Schmu'el 15.21: "Hat der Herr an Brandopfern
und Schlachtopfern das gleiche Gefallen wie am Gehorsam gegenüber
der Stimme des Herrn? Wahrhaftig, Gehorsam ist besser als Opfer,
Hinhören besser als das Fett von Widdern. Denn Trotz ist ebenso eine
Sünde wie die Zauberei, Widerspenstigkeit ist wie Frevel und
Götzendienst...".
- Hosche'ah 6.6: "Liebe will ich, kein Opfer!
G'tteserkenntnis mehr als Ganzopfer"...
Hosche'ah 8.8: "Efraim hat viele Altäre gebaut, um sich zu
entschuldigen, doch die Altäre sind ihm zur Sünde geworden. Ich kann
ihnen noch so viele Gesetze aufschreiben, sie gelten ihnen so wenig
wie die eines Fremden. Schlachtopfer lieben sie, sie opfern Fleisch
und essen davon; der Herr aber hat kein Gefallen an ihnen... Israel
hat seinen Schöpfer vergessen und große Paläste gebaut, Juda hat
viele Festungen errichtet... Ich will meinen glühenden Zorn nicht
vollstrecken und Efraim nicht noch einmal vernichten. Denn ich bin
Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte. Darum komme ich
nicht in der Hitze des Zorns"...
- Amos 5.21ff: "Ich hasse, verwerfe eure Feste, mag
nicht riechen eure Festversammlungen. Wenn ihr mir auch eure
Ganzopfer bringt, so mag ich eure Speisen nicht gnädig annehmen.
Auch das Mahlopfer eurer Maststieren sehe ich nicht an. Schaffe fort
vor mir das Gesumme deiner Lieder und deine Preisungen will ich
nicht hören. Bringe endlich Gerechtigkeit ins Land, eine Flut des
Rechts, wie einen großen Strom"...
Aber nicht nur der Tempeldienst mit Tieropfer wird
abgelehnt, ebenso das mechanische Festhalten an anderen Traditionen und
Ritualen, selbst das Fasten und Gebet, ist wertlos, im Vergleich zu
liebevollem Umgang mit dem Mitmenschen: "
- Sekharjah 7.5ff: ..."Ihr habt gefastet und Klage
abgehalten im fünften und im siebten Monat, und das siebzig Jahre
lang - aber bin ich es, für den ihr so streng gefastet habt? Ihr
habt es für euch getan, so wie ihr für euch gegessen und getrunken
habt"... Kennt ihr nicht die Worte der früheren Propheten, die
G'ttes Wort verkündeten als man Jerusalem und die Städte ringsum
noch sorglos bewohnte, als Negew und Schfelah noch bewohnt waren?
... das Wort erging an Sekharjah: So spricht der Ewige, der Herr
Zwa'oth: Sorgt für Gerechtigkeit, und erweiset euch gegenseitig
Liebe und Mitleid. Die Witwen und Waisen, die Fremden und die Armen,
sie sollen nicht bedrückt sein. Hegt doch keine Boshaftigkeiten
gegeneinander!...
***) Heinrich
Graetz berichtet
Geschichte der Juden (Bd. 3.2): Siehe 13. Kapitel.
Ausbreitung des judäischen Stammes und der judäischen Lehre, p. 374 ff..
- ..."Der erste Eindruck, den das judäische
Wesen auf die Heiden machte, war ein abstoßender; die Judäer
erschienen ihnen in ihrer eigentümlichen Lebensweise und Tracht
und in ihrer religiösen Anschauung wie etwas Sonderbares,
Rätselhaftes, Geheimnisvolles, das sie sich nicht zu erklären
vermochten, und das sie bald mit tiefer Scheu, bald mit Spott
erfüllte.
Der Gegensatz zwischen Judentum und Heidentum war so
durchgreifend, daß er sich in jedem Tun und Lassen äußerte.
Alles, was den Heiden als heilig galt, war in den Augen der
Judäer ein Gegenstand des Abscheues, und was wiederum jenen
gleichgültig war, galt diesen als Sache der Frömmigkeit.
Die Absonderung der Judäer von gemeinsamer Tafel, ihre Scheu vor
Ehebündnissen mit Heiden, ihre Enthaltsamkeit von
Schweinefleisch und warmen Speisen am Sabbat legten ihnen die
Heiden als Verkehrtheit und die Beschränkung des innigen
Umganges auf die eigenen Glaubensgenossen als
Menschenfeindlichkeit aus...
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