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Dresden, Dienstag, 13. Februar 1945:
Militärische Logik oder blanker Terror?

Von Christian Saehrendt

Auch 60 Jahre nach Kriegsende hält die Debatte um den alliierten Bombenkrieg gegen das "Dritte Reich" an – kürzlich produzierte das ZDF mit dem Film "Dresden" ein Drama, das das historische Ereignis als Kulisse nutzte. Die Bombenkriegskontroverse der vergangenen Jahre war maßgeblich durch Jörg Friedrichs Buch Der Brand angestoßen worden und markierte einen Wandel in der Erinnerungskultur. Die deutsche Zivilbevölkerung gerät nun stärker als Opfer des Krieges in das Blickfeld, zahlreiche Zeitzeugenberichte, Bildmaterialien, wissenschaftliche und literarische Zeugnisse wie Volker Hages Sammlung Hamburg 1943. Literarische Zeugnisse zum Feuersturm, wurden inzwischen dazu publiziert

Für Aufsehen sorgte der Versuch der sächsischen NPD im Frühjahr 2005, den Terminus des "Bombenholocaust" in die Debatte einzuführen. Unschwer ist die Absicht dahinter zu erkennen, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren und die Erinnerung daran zu überdecken. Zweifellos sind die Berichte von Überlebenden der Feuerstürme ungeheuer grauenerregend, sie mobilisieren Abscheu und Wut der Leser. Ebenso stark wirken die Bilder von Zerstörung und Tod. Der Terminus vom "Bombenholocaust" entfaltet deshalb eine gefährliche Wirksamkeit, weil sich gewisse Bilder von Auschwitz und Dresden gleichen: Von Zyklon B oder Kohlenmonoxyd erstickte, dicht gepackte Menschengruppen in Gaskammern und Luftschutzkellern, Leichenberge und Scheiterhaufen, Feuertod für Kinder, Frauen, Alte, ohne Ausnahme und Gnade.

So stark diese optische Analogie ist, so unvergleichbar sind doch beide Ereignisse. Während die Vernichtungslager zum Zweck einer effektiven Tötung von Millionen von Menschen geplant und erbaut wurden, stellte der Bombenkrieg eine inhumane und gleichwohl moderne Kriegsstrategie dar, die von allen Seiten praktiziert wurde, von den Westalliierten jedoch unter spezifischen historischen Bedingungen perfektioniert wurde. Dabei war die Massentötung von Zivilisten zwar ein teilweise erwünschter Nebeneffekt, nicht aber die Hauptmotivation. Während die Nationalsozialisten das jüdische Volk vernichten wollten, versuchten Briten und Amerikaner den Krieg siegreich zu beenden, wenngleich mit barbarischen Mitteln. Bis heute sind die Fragen virulent: War der Bombenkrieg ein notwendiges, effektives und unverzichtbares Mittel zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus? Hat er den Krieg verkürzt? Haben die Bewohner Dresdens ein Opfer bringen müssen, damit viele andere überleben konnten? Oder war der Bombenkrieg ein Fehlschlag, der von verbissenen Technokraten trotzdem weiterbetrieben wurde, mit immer höheren Opferzahlen? Haben sich die Alliierten damit auf die Ebene ihrer inhumanen Gegner gestellt und an moralischem Ansehen verloren? Hat man Hitler mit Hitler bekämpft, wie Mahatma Ghandi einmal formulierte?

Die Unversöhnlichkeit in dieser Frage wurde 1992 wieder deutlich, als dem Chef des britischen Bomber Command, Sir Arthur Harris, in London ein Denkmal errichtet und von der Queen Mom eingeweiht wurde. Dies war sicher auch als geschichtspolitisches Warnsignal an das wiedervereinigte Deutschland gemeint. Um so wichtiger ist es, daß sich Historiker immer wieder bemühen, die Faktenlage zu eruieren und damit emotionalisierte öffentliche Debatten abzukühlen versuchen. Rolf-Dieter Müller, Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt trägt mit seiner prägnanten, flüssig geschriebenen Gesamtdarstellung Der Bombenkrieg ebenso dazu bei wie der britische Historiker Frederick Taylor mit seiner Studie Dresden, Dienstag, 13. Februar 1945. Militärische Logik oder blanker Terror.

Der Luftkrieg entwickelte sich im Ersten Weltkrieg als modernstes strategisches Mittel. Alle europäischen Mächte zogen aus dem verlustreichen Stellungskrieg ihre Schlüsse und bauten in den 1920er und 1930er Jahren Luftstreitkräfte auf. Luftangriffe mit Flächenbombardements und Giftgaseinsatz sollten zum schnellen Sieg verhelfen und eigene Kräfte schonen. Zu Beginn des zweiten Weltkriegs hatte die Luftwaffe noch einen Rüstungsvorsprung und bombardierte britische Städte. Dieses Kräfteverhältnis wandelte sich ab 1941. Großbritannien und die USA bauten konsequent eine Flotte strategischer Fernbomber auf, der Fliegeroffizier Arthur Harris übernahm 1942 das Kommando über das Bomber Command der RAF. Harris hatte schon seit 1922 Erfahrungen im Bombenkrieg sammeln können. Britische Truppen in Afghanistan und im Irak gingen damals mit Bombenangriffen gegen Aufständische und gegen Siedlungen vor. Im Irak, der 1920 unter britische Kontrolle kam, ging es darum, einen unabhängigen Kurdenstaat zu verhindern. Harris übernahm das Bomber Command und genoß die Rückendeckung des Premierministers Winston Churchill. Er war davon überzeugt, eine kriegsentscheidende Waffe zu befehligen.

1942 genehmigte der Britische Verteidigungsausschuß am 14. Februar die "Area Bombing Directive", Flächenangriffe auf Innenstädte, dicht besiedelte Verkehrs- und Industriezentren. Dieses "Dehousing Konzept" sollte durch die Kombination von Spreng- und Brandbomben eine maximale Zerstörungsleistung in Wohngebieten bewirken. Briten und Amerikaner bauten sogar 'typisch deutsche' Wohnhäuser und Wohnungen nach, um die Bombenwirkung detailliert zu testen. Der exilierte Berliner Architekt Erich Mendelsohn war dabei auf dem Testgelände Dugway in Utah behilflich. Die Flächenzerstörungen sollten wirksamer sein als punktuelle Schläge gegen die Rüstungsindustrie, sie sollten mit Wohnraumvernichtung und Massentötungen die Moral und Regimetreue der deutschen Zivilbevölkerung untergraben. Dieses Ziel hat die RAF nicht erreicht.

Nach der weitgehenden Zerstörung Hamburgs im Juli 1943 gab es kurzfristig Panik in der Bevölkerung und der NS-Führung, doch bald einte der Haß auf die 'Terrorflieger' die Deutschen wieder. Doch hatte der Bombenkrieg der Alliierten indirekt kriegsentscheidende Wirkung, glaubt Rolf-Dieter Müller: Er habe das Luftwaffenpotential von der Ostfront abgezogen, und so den deutschen Sieg gegen die Sowjetunion unmöglich gemacht.

Nach dem Ende der Kämpfe in Europa wurde der 'erfolgreiche' Bombenkrieg von den Amerikanern gegen asiatische Nationen weiterbetrieben. Riesige Opferzahlen forderten die konventionellen Angriffe auf Tokio und die Atombombenabwürfe, die auch als Warnung an die Sowjetunion interpretiert werden konnten. Ein weiterer Höhepunkt dieser Entwicklung war die flächenhafte Bombardierung Vietnams mit Chemikalien und Brandbomben. In der Gegenwart der Irak- und Afghanistankriege hat das Präzisions- gegenüber dem Flächenbombardement den Vorzug erhalten, weil die Militärs weit mehr als früher auf Medien und die wechselhafte öffentliche Meinung Rücksicht nehmen müssen.

Die Zerstörung Dresdens wurde weltweit zum Symbol für die destruktive und entfesselte Kraft eines totalen Krieges. Diese Symbolwirkung war stets mit Legenden verknüpft und wurde propagandistisch genutzt. Dabei spielte Dresdens Identität als Kulturmetropole eine Rolle, auch der Zeitpunkt des Angriffs, der enorme Zerstörungsgrad und die Opferzahlen. Taylor dekonstruiert diese Legenden: Er belegt, daß Dresden nicht nur unverteidigte Kulturstadt, sondern durchaus ein wichtiger Rüstungsstandort, also legitimes Bombenziel, war und bestätigt die Opferzahlen auf der Basis deutscher Polizeiangaben zwischen 25.000- 30.000 – eine schreckliche Zahl, doch liegt sie weit unter den kursierenden sechsstelligen Angaben. Die oft kolportierten Angriffe amerikanischer Tiefflieger auf Überlebende in den Elbwiesen verweist er ins Reich der Legende.

Gleichzeitig würdigt Taylor die Leiden der Opfer und räumt Augenzeugenberichten, die die apokalyptische Szenerie schildern, breiten Raum ein. Ungeheuerlich erscheinen beispielsweise die Ereignisse an oberirdischen Löschwasserbecken, die auf Dresdner Stadtplätzen angelegt worden waren. Im Feuersturm stürzten sich viele Menschen in die Becken, konnten sie aber wegen der glatten Wände nicht mehr verlassen, als die Wassertemperatur unaufhaltsam stieg. Manche ertranken mitten in der Feuerhölle, andere wurden buchstäblich gekocht. Noch wochenlang nach dem Angriff wurden auf dem Altmarkt gestapelte Leichen auf Scheiterhaufen verbrannt. Die technische Aufsicht führten dabei SS-"Experten" aus dem Vernichtungslager Treblinka. Sie brachten die nötige Kompetenz mit.

Im Kalten Krieg vergaß man im Ostblock rasch den Vorteil, den die SU vom Bombenkrieg der Westalliierten gehabt hatte. Nun galt der Bombenkrieg als Vorläufer der atomaren Bedrohung durch den "imperialistischen" Westen. Es erstaunt daher auch nicht, daß das Gedenken an den Untergang Dresdens in der DDR antiwestliche Züge annahm, wobei z. T. sogar Propagandaelemente des "Dritten Reiches" integriert wurden, wie Margalit Gilad in ihrem Beitrag Der Luftangriff auf Dresden. Seine Bedeutung für die Erinnerungspolitik der DDR ausführt. Die DDR sprach angesichts der westdeutschen Wiederbewaffnung sogar von einem Bündnis der "Mörder von Dresden und Coventry." Dresden sei deshalb so stark zerstört worden, hieß es in der DDR, weil es für die sowjetische Besatzungszone vorgesehen war. Dieser Gedanke ist nicht ganz von der Hand zu weisen, gibt es doch britische Dokumente, die die Bombardierung Dresdens als Lektion für die anrückenden Russen bezeichnen.

Die heutigen Gedenkfeiern Dresdens stehen im Zeichen eines politischen Pluralismus. Während bei den offiziellen, zum Teil mit internationaler Beteiligung stattfindenden Veranstaltungen der Geist der Versöhnung beschworen wird, versuchen die Rechtsextremisten, die Geschichte für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Taylor hat dieses gespaltene Gedenken in einem Kapitel beschrieben: Der stille, rasche Auftritt der britischen Diplomaten, die ergriffene schweigende Mehrheit, der martialische Auftritt der Neonazis und die Gegenprovokation einiger Linker mit der Parole: "Bomber-Harris: Do it again", über die er am meisten den Kopf schütteln mußte.

Christian Saehrendt ist Lehrbeauftragter am Institut für Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl Prof. Dr. Winkler, mit dem Schwerpunkt: Kunstgeschichte im sozialen und politischen Kontext. Seit 2000 arbeitet er in Kooperation mit Universitäten und Forschungseinrichtungen an Forschungsprojekten über politische Denkmäler, internationale Kulturbeziehungen und die Künstlergruppe 'Brücke'. Aktuelles Forschungsprojekt: Kunstausstellungen als Mittel auswärtiger Kulturpolitik in der DDR und der Bundesrepublik. 1995-2000 Künstlerische Arbeit im Rahmen der Gruppe "Neue Anständigkeit" in Berlin.

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