Die Verbannung aus dem öffentlichen Leben:
Aufrufe zum Boykott
Der judenfeindliche Aktionismus Anfang 1933
Bereits im Januar 1933 ließ sich
eine aktive und massive Diskriminierung der Juden in aller Öffentlichkeit
nachweisen. Im Februar kam es zu antisemitischen Ausschreitungen
von SA-Trupps, welche im Ausland auf heftige Reaktionen und Kritik stießen.
Diesen Anlass nutzte das noch
"junge" NS-Regime als Vorwand zur Gründung für das "Zentralkomitee zur
Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze" unter der Leitung des
fränkischen Gauleiters Julius Streicher, einem fanatischen Antisemitisten.
Er bereitete schon im März 1933 den
"Judenboykott" mit vor. Nach der Ankündigung dessen kam es zu vereinzelten
pogromähnlichen "wilden Aktionen" der Parteibasis, die aber auch von
interessierten Berufsgruppen, wie Einzelhändlern oder Gewerbetreibenden
unterstützt wurden.
Im gesamten Monat März des Jahres
1933 wurden zahlreiche Kaufleute und Gewerbetreibende, darunter auch
polnische Juden, in allen Teilen des Reiches bedroht, erpresst,
ausgeplündert oder ihrer Freiheit beraubt. Die SA-Trupps prügelten "jüdisch
aussehende Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte" aus ihren Büros, um die
Justiz vom "System jüdischer Rechtsverdreher" zu säubern. Jüdische Ärzte
wurden aus ihren Praxen vertrieben und des Landes verwiesen. Ihr Hab und Gut
durften die Juden oft nicht mit ins Exil nehmen.
Somit setzte bereits 1933 die
Deklassierung der Juden in Deutschland ein, die aber von langer Hand
vorbereitet wurde. So schrieb Adolf Hitler bereits 1924 in "Mein Kampf": "So
glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich
mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn".
Gegen diese antisemitistischen
Ausschreitungen schickte der jüdische Central-Verein den Rechtsanwalt Hans
Lazarus ins Rennen, um die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Er
bewies, dass der Judenboykott nicht rechtlich vertretbar ist. So schrieb er:
"Im Wirtschaftskampf ist der Boykott eine erlaubte Waffe, soweit seine
Zielsetzung[en...] nicht gegen die guten Sitten verstoßen. [...] [D]er
Boykott [darf] nicht die Vernichtung des Gegners bezwecken [...], letzteres
jedoch ist das offen eingestandene Ziel des völkischen Boykotts gegen die
Juden".
"Judenboykott" im April 1933

Am 1. April 1933 Punkt 10 Uhr
begann der bereits im März von der NS-Regierung organisierte allgemeine
"Judenboykott" in allen Großstädten des Deutschen Reiches unter der Leitung
Julius Streichers. Vorwand dafür war die kritische Berichterstattung des
Auslands über die Vorfälle im Reich.
Der "Greuelpropaganda" sollte so
entgegengewirkt werden und Hitler legitimierte diese Aktion mit der
Begründung, dass dies eine "Abwehraktion" sei und "...dass diese Abwehr
habe organisiert werden müssen [der Aufruf war bereits am 29. März in der
Presse zu lesen], weil sonst die Abwehr aus dem Volk heraus von selbst
gekommen wäre und leicht unerwünschte Formen angenommen hätte".
Gerichtet war die Aktion gegen
jüdische Geschäfte und Waren, als auch gegen die Tätigkeit jüdischer
Rechtsanwälte und Ärzte.
Dabei sollten die Juden nicht zu
Schaden kommen, sondern es sollte lediglich verhindert werden, dass Deutsche
in jüdischen Kreisen verkehren. Parteimitgliedern, die Gewalt anwendeten,
sollte sofort das "Braunhemd" heruntergerissen werden. Trotzdem blieben
Nötigung, Körperverletzung, Diebstahl und Freiheitsberaubung keine
Seltenheit, da sich neben der SA und den anderen Parteimitgliedern
antisemitistische Bürger, die ebenfalls am Untergang der Juden interessiert
waren, beteiligten.
Wenig später trat das "Gesetz zur
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" in Kraft, welches erstmalig eine
deutliche antisemitistische Komponente enthielt.
Nach diesem Gesetz sollten neben
politischen Gegnern auch jüdische Richter, Beamte sowie Angestellte in allen
öffentlichen Bereichen entfernt werden. Den jüdischen Ärzten und Anwälten
wurden durch weitere Bestimmungen Zulassungsbeschränkungen auferlegt. Ein
beeindruckende künstlerische Verarbeitung dieser Ereignisse liefert das
Drama "Professor Mamlock" von Friedrich Wolf.
Der Anteil jüdischer Studenten an
den Hochschulen durfte nach einem Gesetz vom 25. April 1933 nicht mehr als
1,5 Prozent aller Studierenden betragen.
Am 14. Juli wurde den meisten
Juden, in erster Linie denen aus den deutschen Ostgebieten, die deutsche
Staatsangehörigkeit aberkannt bzw. der Antrag auf Einbürgerung abgeschlagen.
Somit wurde der staatlich
verordnete Antisemitismus zum ersten Mal per Gesetz "legalisiert". So
verließen rund 37.000 jüdische Flüchtlinge das Dritte Reich, nach nur einem
Jahr nationalsozialistischer Herrschaft.
Im Sommer 1933 wurde die "nationale
Revolution" für abgeschlossen erklärt. Vorübergehend ließen die
Gewalttätigkeiten gegenüber den Juden nach. Jedoch waren Anfang 1934 neben
der Zunahme individueller Willkürakte auch Vorbereitungen für einen
neuerlichen Boykott jüdischer Geschäfte zu beobachten. Trotz des Verbotes
dieses Boykottes durch die NSDAP-Reichsleitung waren die Bestrebungen der
Regierung, die Juden aus dem Wirtschaftsleben zu verdrängen, unübersehbar.
Die Ausschreitungen 1935
Der Druck auf die Juden verschärfte
sich im Verlauf des Jahres 1935. Im gesamten Reich wurden die Synagogen
geschändet. Die Boykottkampagnen gegen jüdische Geschäfte wurden fortgeführt
und zudem Zuzugsverbote erlassen. Wie in der ausländische Presse war nun
auch in den Berichten der unteren und mittleren Verwaltungsbehörden von
Pogromen die Rede. Es herrschte in den weiten Kreisen der
nationalsozialistischen Bewegung die Ansicht vor, "dass jetzt die Zeit
gekommen sei, die Judenfrage restlos zu lösen". Im August 1935 wies die
Reichsleitung der NSDAP alle Parteistellen darauf hin, dass "alle wilden
Einzelaktionen gegen Juden zu unterbinden" seien. Am 15. September 1935
reagierten die NS-Machthaber auf die vielfältigen und zunehmenden Spannungen
innerhalb des Partei- und Staatsgefüges. Anlässlich des Nürnberger
Parteitages wurden die sogenannten "Nürnberger Gesetze" verkündet. Diese
wurden die Grundlage für die restlose Ausschaltung der Juden aus allen
öffentlich – rechtlichen Arbeitsverhältnissen.
Von Robert Grüneberger,
Projekt "Jüdische Geschichte
und Kultur"
des Lessing-Gymnasiums aus Döbeln
In Gedenken an die Opfer der
nationalsozialistischen Greueltaten, wurde im Jahr 2005 ein
Holocaust Mahnmal in Berlin errichtet. Das Denkmal für die ermordeten
Juden Europas besteht aus 2711 Stelen und schluckt im Inneren des Denkmals
jedes von außen eindringende Geräusch, um somit die Ruhe und Ohnmacht
symbolisch zum Ausdruck zu bringen.
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